Miriam Smidt and Liquid Light Paintings

Miriam Smidt und Liquid Light Paintings

Miriam Smidt schafft mit seiner einzigartigen Technik, die sie „Liquid Light Painting“ nennt, ganz besondere Werke, die es uns ermöglichen, die Harmonie von Flüssigkeit und Farbe aus einer anderen Perspektive zu bewerten.

Interview von Ummuhan Kazanc

Miriam Smidt und Liquid Light Paintings Miriam Smidt.

Liebe Miriam Smidt, könnten Sie sich zunächst unseren Blog-Lesern vorstellen? Wann und wie haben Sie sich entschieden, sich mit Kunst zu beschäftigen?

Eigentlich war ich schon immer ein innerer Künstler, aber jahrelang habe ich versucht, dies in der Praxis zu verhindern, indem ich verschiedene andere Berufe ausübte und versuchte, einen „vernünftigen“ Platz für mich in der Gesellschaft zu finden. Ich habe Politikwissenschaft und Germanistik studiert und nach meinem Abschluss einige Jahre als freiberufliche Autorin und Sozialwissenschaftlerin gearbeitet. Im Jahr 2016 wurde bei mir dann ein Gehirntumor diagnostiziert. Das war der Moment, der für mich alles veränderte. Mir wurde klar, dass das Leben nicht ewig dauert und dass mein Leben vielleicht schon jetzt vorbei sein sollte, noch bevor es richtig angefangen hat. Dann habe ich so ziemlich alles umgeworfen und auf den Kopf gestellt, um schließlich zu malen.

Miriam Smidt und Liquid Light Paintings Miriam Smidt, „Funfair Feels“, Tusche, Mischtechnik auf Leinwand, 100 x 150 cm.

Die leuchtenden Farben Ihrer Werke und die fließenden Bewegungen und Formen fallen sofort ins Auge und faszinieren Sie. Der Betrachter kann sich in diesen Formen und Farben fast verlieren. Was können Sie über Ihren Stil sagen? Was sagen uns diese fließenden Bewegungen und Farbübergänge?

Meine Malerei beschäftigt sich mit den Themen Veränderung und Vergänglichkeit anhand von Bewegung und Zeit – Wasser ist dafür genau das richtige Medium.

Meine Arbeitsprozesse erstrecken sich über mehrere Tage. Auf dem Malgrund sind die Medien in ständiger Bewegung. Kontrolle und Befreiung, Überschwemmung und Leere sowie beständige und vergängliche Anteile spielen in meiner Arbeit eine große Rolle. Das sind alles elementare Dinge des Seins und Lebens mit Übergängen und Endlichkeit. Davon erzählen meine Bilder und das erkunde ich im kreativen Prozess: Nachdem ich die Flüssigkeiten auf den Malgrund aufgetragen habe, ziehe ich mich zurück und werde zum Beobachter: Die Farben entwickeln dann ein Eigenleben und entfalten sich völlig ohne mein Zutun. Dabei erweitern und ergänzen sie meine Bewegungen beim Auftragen der Farbe oder beim einfachen Abwaschen. Meine Anwesenheit wird an diesem Punkt des Arbeitsprozesses überflüssig und meine Arbeit ist vergänglich. Ich aber habe mit meinen Impulsen alles initiiert und Spuren hinterlassen. 

Wenn dann nach einigen Tagen auch das Wasser verdunstet ist, erstarren alle Ereignisse auf der Leinwand zu einem statischen Gemälde – der Schwung und die Dynamik bleiben jedoch visuell erhalten. Sie sind durch die Transparenz der von mir verwendeten Aquarellfarben visuell nachvollziehbar und fungieren als Nachruf auf die Aktivitäten des kreativen Prozesses. Die Intensität meiner Werke, die sich aus der Harmonie der Farben und der organischen Lebendigkeit der Formen ergibt, ist ein Aufruf zum Verweilen im Augenblick und die leuchtenden Farben weisen voller Zuversicht nach vorne. Dieses Zusammenspiel von Rückblick und Ausblick und der Moment des Innehaltens dazwischen faszinieren mich und sind die Essenz meiner Arbeit!

Miriam Smidt und Liquid Light Paintings Miriam Smidt, „Mariana Trench“, Tusche, Pastell, Ölpastell auf Leinwand, 100 x 50 cm.

Welcher Kunstrichtung ordnen Sie Ihre Werke zu? Können wir Ihren Stil als abstrakten Expressionismus bezeichnen?

Da ich meine einzigartige Technik entwickelt habe, die ich „Liquid Light Painting“ nenne, sind meine Werke nicht einfach einzuordnen. Auch wenn meine Werke eine andere Ästhetik haben als die meisten Werke, die wir aus diesem Genre kennen, hast du recht und ich würde sie höchstwahrscheinlich auch dem Abstrakten Expressionismus zuordnen.

Miriam Smidt und Liquid Light Paintings Miriam Smidt, „Leben auf dem Mars“, Tusche, Pastell, Ölpastell auf Leinwand, 120 x 80 cm.

Du arbeitest mit Tusche und wasserbasierten Farben. Können wir etwas über die Geheimnisse Ihrer Technik erfahren? Was können Sie über den Entstehungsprozess Ihrer Bilder sagen?

Der kreative Prozess war am Anfang fast wie in einer Art Kunstlabor. Ich male mit Tinte, Wasser und – das ist das Geheimnis – Kleister. Die Recherche nach den richtigen Kombinationen, Mischungsverhältnissen und Zeitpunkten nahm viele Wochen und Monate in Anspruch. Auch heute noch erweitert sich das Wissen darüber sukzessive. Mittlerweile kenne ich meine Materialien gut und bin mit ihren Besonderheiten vertraut, dennoch machen die Medien selten sofort genau das, was ich von ihnen möchte. Es bleibt also immer ein Zusammenspiel von Zufall und Können, Aktion und Reaktion. Und, wie bereits erwähnt, Kontrolle und Loslassen. Dieses Zusammenspiel erstreckt sich bei kleinen Werken über mehrere Tage und kann bei sehr großen Werken, bei denen ich immer wieder in das Bild eingreife, mehrere Wochen dauern, bis alles trocken ist. Dann bleibt es jedoch unverändert. Die Kombination der Materialien sowie meine Ästhetik, in der der Negativraum eine wichtige Rolle spielt, erlauben selten ein Übermalen und Ergänzen.

Miriam Smidt und Liquid Light Paintings Miriam Smidt, „Zoo Motion“, Tusche, Pastell, Ölpastell auf Leinwand, 150 x 100 cm.

Ihr Kunstatelier befindet sich an einem sehr interessanten Ort. Sie arbeiten in einer Kapelle auf einem Friedhof. Wie wirken sich diese Arbeitsbedingungen auf Ihre Produktivität aus?

Mein Atelier befindet sich eigentlich in einer ehemaligen Grabkapelle auf einem stillgelegten Berliner Friedhof. Hier sind natürlich die Themen Vergänglichkeit und Abschied sehr präsent. Natürlich ist dies ein ständiges Memento Mori, das sicherlich meine Arbeitsweise beeinflusst, insbesondere wenn ich mit einer lebensverkürzenden Diagnose leben muss. Darüber hinaus beeindruckt mich sicherlich die geradlinige, vom Bauhaus inspirierte Architektur der Kapelle. Es korrespondiert wunderbar mit meinen kraftvollen und überschwänglichen Werken. 

Auch wenn wir zuerst an den Tod denken, gibt es auf einem stillgelegten Friedhof auch viel Leben. Die Kapelle liegt umgeben von einer grünen Oase im Herzen Berlins. Ich treffe hier unzählige Tiere, denen man sonst in einer Großstadt selten begegnet. Einige von ihnen, darunter Eichhörnchen und Füchse, wagen sich sogar direkt in mein Atelier. Und auch meine Werke bringen viel Lebendigkeit an diesen Ort.

Manchmal frage ich mich, ob meine Werke ganz anders aussehen würden, wenn sie an einem anderen Ort entstanden wären.

Können Sie uns noch etwas über Ihre Pläne erzählen?

Derzeit arbeite ich an mehreren Crossover-Projekten, bei denen meine Malerei mit Video- und Soundinstallationen interagiert. Es ist zwar noch eine Weile hin, aber ein Teil davon wird sicher Ende des Jahres bei einer Einzelausstellung in Hamburg zu sehen sein.  Es wird höchstwahrscheinlich bunt und bewegend sein. Aber ich möchte noch nicht zu viel verraten.

Zurück zum Blog

Hinterlasse einen Kommentar

Bitte beachte, dass Kommentare vor der Veröffentlichung freigegeben werden müssen.